Als ich 1999 an der Pädagogischen Hochschule Freiburg einen Workshop zum amerikanischen Konzept des Schreibzentrums und der Schreibberatung durchführte, meinte eine Studentin spontan: “Sowas bräuchten wir hier auch. Schon allein wegen der vielen unterschiedlichen Vorstellungen, wie ein Portfolio aussehen soll. Neuerdings müssen wir für fast jedes Fach ein Portfolio schreiben, aber jede Lehrperson versteht anscheinend etwas anderes darunter.”
Schon zwei Jahre später gab es dann tatsächlich ein Schreibzentrum an der PH Freiburg. Es war 2001 das erste seiner Art in der europäischen Lehrer*innenausbildung. Natürlich gehörten Workshops und Beratungen zum Anfertigen von Portfolios in der Fachausbildung von Beginn an zum Programm. In einem hochschuldidaktischen Gesprächskreis am Schreibzentrum entwickelten Lehrende und Studierende, in Begleitung mit dem Team der Schreibberater*innen und der Abteilung Hochschuldidaktik, schon recht bald ein fächerübergreifendes Verständnis von reflexiver Praxis und Portfolioarbeit.
Gerne erinnere ich mich an diese frühe Phase des Freiburger Schreibzentrums zurück als ein Beispiel für gelungenes Literacy Management: Ausgehend von dem, was wir an Schreibproblemen und fehlendem Textsortenverständnis in Sachen Portfolio in der individuellen Schreibberatung erlebten, bemühten wir uns um Impulse für die Weiterentwicklung des reflexiven Aufgabendesigns in den Fächern. Auf diesem Wege entstanden nicht nur neue Aufgabenstellungen, es änderten sich bei den Lehrenden auch ganze Seminarpläne auf der Basis eines neuen Verständnisses zur Rolle reflexiver Praxis und Portfolioarbeit in Studium und Lehre.
Diese Verzahnung von Textberatung und strategischem Mitdenken hinsichtlich notwendiger Veränderungen im Aufgabendesign und in anderen hochschuldidaktischen Bereichen der Lehre prägt die Freiburger Schreibberater*innenausbildung seit dem ersten Lehrgang 2001. Seitdem haben über 250 Personen aus 11 Ländern den berufsbegleitenden Lehrgang erfolgreich abgeschlossen und viele mehr haben an Teilen der Ausbildung teilgenommen.
Seit 2017 ist für die Freiburger Schreibberater*innenausbildung die Nutzung von PREPARE-Campus (zu diesem EU-Projekt siehe u.a. letztes Posting) möglich. Hinter dieser digitalen Lehr-/Lernumgebung verbirgt sich der Zusammenschluss einer Video-Annotationsplattform und einer elektronische Portfolio-Plattform (Mahara). Auf diese Weise gelingt nicht nur ein tieferer Einblick in das individuelle Schreibhandeln der Teilnehmenden am Lehrgang, sondern auch in deren Beratungshandeln. Was auf diesem Weg entdeckt wird, gilt es festzuhalten, zu kontextualisieren und weiterzuentwickeln. Dies geschieht in den elektronischen Portfolios der Teilnehmenden, die mit ihren Reflexionen, über die unmittelbare Lernenden-Gemeinschaft des Kurses hinaus, eine kreative, langfristig wirkende community of practice auf dem sich etablierenden Berufsfeld “Schreibberatung” bilden. Wenn Sie dabei sein möchten, dann melden Sie sich an! Für den Lehrgang 2019 sind noch Plätze frei!
Wir starten am 12./13.04. mit einem Workshop in Freiburg und sehen uns Anfang Oktober 2019 wieder in persona, dann zum Einüben der nicht-direktiven Beratungsmethode. Zwischendurch findet die Ausbildung im Wochenrhythmus auf der o.g. digitalen Lernplattform statt, wo wir eigene Schreibpraxis, Schreibprozesstheorie-Diskurs, Video-Analyse und Reflexion sinnstiftend miteinander verknüpfen.
Weitere Informationen zum Zertifikatslehrgang und Online-Anmeldung: https://akademie.wi-ph.de/schreibberatung.html
Gerne auch Fragen direkt an mich: braeuer@ph-freiburg.de